Noch 2007 war Nokia unangefochtener Weltmarktführer für Mobiltelefone. Beste Qualität, stetige Produktverbesserungen, höchste Effizienz. Dann kam Apple mit dem iPhone. Die Nokia-Manager hielten es für Schnick-Schnack. Danach der Absturz, Nokia ist nur noch ein Schatten von einst, die Mobilfunksparte längst verscherbelt. Finnland erlitt durch den Niedergang seines bedeudentsten Unternehmens einen empfindlichen Schlag und schlitterte in eine tiefe Wirtschaftskrise.
Was das mit Deutschland im Jahr 2017 zu tun hat? Die bedeudentste Branche des Landes, höchste Qualität, absolutes Premium, Rekordgewinne – erlebt eine beispiellose Skandalkaskade. Zunächst sah es noch so aus, als käme man glimpflich davon, nur VW und in der Folge noch Audi wurden vom Dieselskandal erwischt (obwohl richtig einleuchtend war es nie, warum nur deren Ingenieure nicht in der Lage gewesen sein sollen, die vermutlich nicht einhaltbaren Emissionsgrenzwerte einzuhalten).
Doch dann kommt heraus, BMW, Daimler und VW – und damit wohl auch Audi und Porsche, möglicherweise auch noch Bosch – haben sich mutmaßlich abgesprochen, für Kunden und Umwelt nur die Minimallösung der Abgasreinigung zu bieten. Was dann kein Kavaliersdelikt mehr wäre, sondern vermutlich schon kriminell. Mindestens schon einmal kriminell dumm, verstößt das Verhalten doch 1. gegen Murpy`s Law – was schief gehen kann, geht schief – und 2. irgendwann kommt alles raus.
Nicht, dass die Autobauer schon genug Probleme hätten, befinden Sie sich heute gegenüber Tesla & Co in einer ähnlich vertrackten Lage wie vor eine Dekade Nokia mit Apple. Dazu noch kommt der Angriff von gleich zwei Flanken: 1. Die Antriebstechnologie Elektromotor lässt die Verbrennungsmotoren erheblich schneller alt aussehen als es sich die Autobosse vorstellen konnten. Und 2. Geht es immer mehr um Entertainment-Software im Auto und vor allem das autonome Fahren. Tesla und vielleicht bald Waymo / Google oder Apple sind schwer einholbar cooler als die Old Economy-Autobauer. Erst recht mit dem Skandal, den sie jetzt am Hacken haben; an dessen Anfang wir jetzt erst stehen.
Was uns das angeht? Nun, ganz persönlich bin ich einer der 18 Millionen Dieselfahrer, einer derjenigen, der regelmäßig in Großstädte fahren muss, wo nun trotz grüner Plakette bald Fahrverbote drohen. Der Wiederverkaufspreis dürfte bereits jetzt deutlich im Keller sein, ohne erkennbare Hoffnung auf Besserung.
Da mancher auf Einzelschicksale aber keine Rücksicht nimmt: wenn es der deutschen Automobilindustrie an den Kragen geht, ist das nicht gerade so, als ob Bäcker Petrauschke zu kleine Brötchen gebacken hätte. Jeder sechste Arbeitsplatz hängt von dieser der Deutschen liebsten Branche ab. Des Michels liebstes Kind ist bedroht, und mit ihr die deutsche Volkswirtschaft, die derzeit doch einen solchen Höhenflug zu erleben scheint.
Es ist deshalb keine Zeit für Häme, aber auch nicht für – falsch verstandene – Solidarität. Sondern es ist Zeit aufzuwachen, den jetzigen Skandal schnell und gründlich – “brutalstmöglich” – aufzuklären, endlich auf echte Innovation, auf neue Technologien zu setzen und die stock-konservativen Strukturen, die in den großen Konzernen genau so wie im Staat herrschen, aufzubrechen. Denn die Unfähigkeit, schnell und flexibel auf Umwelt- und Marktanforderungen zu reagieren und die offenbar endemische ethische Verantwortungslosigkeit im Management sind keine separaten Phänomene, sondern zwei miserable Symptome einer kranken Führungskultur.
Es wird also einen tief einschneidenden Kurswechsel brauchen, bloße kosmetische Maßnahme oder gar ein trotziges “Weiter so” würde sehr bald für uns alle bittere Konsequenzen haben.
Fast forward: Ich hoffe, Audi, BMW und Mercedes werden 2027 genauso awesome Autos bauen wie Tesla und iCar. Gebt mir einen Wiedergutmachungsgoodie für meinen Diesel, und ich bestell schon mal eins vor!